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Krieg ist keine Lösung

Volkstrauertagsrede 2022, gehalten von Ortsvorsteher Joachim Auer

Liebe Dietersweiler Bürgerinnen und Bürger,                          meine sehr verehrten Damen und Herren,

haben Sie Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit uns diesen ganz besonderen Volkstrauertag heute zu begehen, der wohl auch einen gewissen Wendepunkt in der Tradition und Ausrichtung dieses Gedenktages darstellt.

So haben wir in den zurückliegenden Jahren unser Gedenken in besonderem Maße  auf die Vergangenheit ausgerichtet, auf unsere 124 Mitbürger, die ihr Leben in den beiden großen Weltkriegen des letzten Jahrhunderts verloren haben, 43 im ersten Weltkrieg und mit 81  Gefallenen fast die doppelte Anzahl im zweiten. Die Zahl 124 mag klein erscheinen im Vergleich zur großen Bilanz und Endabrechnung der Toten beider Weltkriege im 20.Jahrhundert.Und trotzdem waren es 124 Opfer zu viel. Die Kriegsmaschinerie hatte Hochkonjunktur im letzten Jahrhundert, der Tod musste auf den Schlachtfeldern Überstunden leisten. Und  jeder dieser gefallenen Soldaten war doch wichtig in seiner Einzigartigkeit, er war nicht austauschbar und deshalb auch unersetzlich für eine Mutter, einen Vater, den Bruder, die Freundin,  die Ehefrau, das Kind. Und dies wiederholt sich nun für russische und ukrainische Soldaten seit dem 24.Februar tagesaktuell.

Die nüchterne Endbilanz des Zweiten Weltkriegs brachte es in Europa auf über 55 Millionen Tote und fast 35 Millionen Kriegsversehrte. Wenn  wir dazu noch die über 10 Millionen Toten und 21 Millionen Kriegsver-sehrten aus dem 1. Weltkrieg bilanzieren, so haben wir nahezu das Grauen des letzten Jahrhunderts wieder zahlenmäßig erfasst: Insgesamt sind das 65 Millionen Tote und 56 Millionen Kriegsver-sehrte. Millionenfache Gründe also mindestens einmal im Jahr innezuhalten und dieses Leids zu gedenken.

 Und dann habe ich noch nichts gesagt von den über 6 Millionen Toten im Zuge der von den Nazis beschlossenen Endlösung der Judenfrage, die in den Vernichtungslagern umgesetzt wurde: In Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Treblinka, Theresienstadt, Buchenwald, Sachsenhausen, Bergen Belsen, Dachau, um nur einige zu nennen.

 War das denn nicht genug ?

Was macht denn den heutigen Volkstrauertag 2022 so besonders, so anders als bisher ? Lassen Sie mich versuchen, dies in Worte zu fassen.   

In den zurückliegenden Jahren haben wir unsere Gedanken und unsere Trauer an diesem besonderen Tag auf die Vergangenheit mit den gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege und deren zivilen Opfer  und auf die während des Holocausts getötete jüdische Bevölkerung gerichtet.

Denn wir waren bis zum 24.Februar dieses Jahres noch der festen Überzeugung, dass sich diese unvorstellbaren Horrorszenarien zweier Weltkriege in Europa nie wiederholen würden, besonders auch unter dem Eindruck der atomaren Bedrohung ,wie sie durch den Bomben-abwurf auf Hiroshima und Nagasaki als Menetekel für die Weltöffent-lichkeit bis in unsere Tage deutlich wurde.

Heute nun müssen wir auch unsere Trauer auf die Gegenwart und die  Zukunft richten, weil wir nicht wissen, was uns in Europa und insbe-sondere in Deutschland in nächster Zeit erwarten wird, wenn ständig in den Medien, in Talkshows, in Interviews immer wieder auch die Möglichkeit eines dritten Weltkrieges mit einer atomaren Initialzündung durch Wladimir Putin als durchaus real von vielen Politkern und  Wissenschaftlern angesehen wird, mit der Feststellung, dass sich die Realität dem Albtraum genähert hat, denn plötzlich ist eine Welt zurück , die eigentlich überwunden schien: eine Welt am nuklearen Abgrund, wie es nach Meinung vieler während des sogenannten Kalten Krieges lange nicht so bedrohlich stand.

 Was kann, was muss denn noch an Schrecklichem passieren, dass der Mensch an sich endlich aus diesen Fehlern lernt und zu dem Schluss kommt: Nie wieder Krieg, Krieg kann keine Lösung sein, darf keine Lösung sein. Ist der Mensch denn nicht fähig, aus seinen Fehlern zu lernen und Konsequenzen zu ziehen. Müssen sich denn  die Menschen stets mit den jeweils neusten Massenvernichtungswaffen gegenseitig bedrohen, bekriegen und auf grausamste Art um ihr Leben bringen. Fallen wir denn immer wieder zurück in die Gesetzlosigkeit, die Barbarei, in der jegliche Zivilisation, jede Ethik und Moral, jede Zurückhaltung und Skrupel aufgegeben werden, um den von Autokraten und Militärs vorgegeben vermeintlichen Feind im Rahmen einer Spezialoperation auszulöschen und seiner Heimat zu berauben. Dürfen Soldaten offensichtlich auch wieder Gefangene nach Belieben foltern, Frauen nach Lust und Laune vergewaltigen, weil Krieg ja scheinbar alles legitimiert  bzw. das Kriegsrecht niemanden mehr bekümmert und ich als Soldat dann in der Regel nichts mehr zu befürchten habe. Wehe, wenn sie losgelassen !

 Wird denn der Mensch an sich in seinem Denken und Handeln  immer noch von seinen primitiven Urinstinkten wie vor Jahrtausenden geleitet, von Selbstsucht, Egoismus, Arroganz, Neid, Hass, Gewalt, die beson-ders bei den testosterongesteuerten Männern als Anführer in der Politik und auf dem Schlachtfeld ihre Ausprägung fanden und immer noch weiter finden werden, denken wir zum Beispiel nur an Julius Cäsar, Napoleon Bonaparte, Adolf Hitler, Wladimir Putin oder auch Donald Trump. Manchmal kommt es mir so vor, dass die sogenannte menschliche Zivilisation , auch in unseren westlichen Demokratien , nur eine recht dünne schützende Decke bildet, unter der all diese niederen Instinkte lauern, die dann aufbrechen, wenn es zu Störungen im sonst geregelten Alltag  kommt.  

Wollte uns denn das Zeitalter der Aufklärung nicht zu mündigen Bürgern machen, wie es Immanuel Kant 1784 mit dem Satz als Aufforderung an uns mündige Bürger zum Ausdruck brachte: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen  aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Dazu gehört wohl auch im Sinne der Aufklärung das Aufbegehren gegen Diktatoren und Autokraten und in letzter Konsequenz die Verweigerung des Marschbefehls in einen Angriffskrieg, wenn man erkennt, was sich z.B. hinter Putins Begriff einer militärische Spezialoperation verbirgt. Das ist aber für uns in einer funktionierenden Demokratie natürlich leichter gesagt als getan.

Für mich frustrierend und wenig hoffnungsvoll ist die Tatsache, dass es offensichtlich immer wieder Autokraten geben wird, insbesondere diese Testosteron gesteuerte Männer, die es schaffen , ein gesamtes Volk in ihre Gewalt zu bringen und in die Unmündigkeit zu führen, z. B. in Nordkorea, in Russland, in China oder in Belarus, um nur einige wenige zu nennen.

Wenn wir also nachher von unserem Posaunenchor während der Kranzniederlegung den „Guten Kameraden hören“, so sollten wir in unser Gedenken an die Weltkriegsopfer des 20.Jahrhunderts auch die Gefallenen auf beiden Seiten des Ukrainekrieges einschließen, denn ich glaube auch, dass gerade auf russischer Seite viele Männer getäuscht ,verführt oder gezwungen wurden, an diesem Krieg teilzunehmen, den Putin ja  nur verharmlosend als militärische Spezialoperation bezeichnete, so als ob man nur in ein etwas größeres Militärmanöver ziehen würde.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit !

 

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Veröffentlichung

Dietersweiler
Di, 15. November 2022

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